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Familie statt Karriere – Welche Prioritäten die heutige Studentengeneration setzt

Philipp W. aus Frankfurt studiert im 5. Semester Volkswirtschaftslehre. Ein anspruchsvolles Studium, das ihn stark fordert – doch er kommt gut zurecht und hat Spaß an dem, was er lernt und tut.

Auf seine künftigen Pläne angesprochen wirkt er jedoch seltsam unsicher: Ein Praktikum bei einer großen Versicherungsgesellschaft hat ihm zwar inhaltlich viel Spaß gemacht, aber er hat andererseits auch gesehen, wie viel den festen Mitarbeitern dort abverlangt wurde und wie sehr sie sich in der Kantine gegenseitig ihr Leid über den anhaltenden Druck klagten. Philipp jedoch ist auch eine eigene Familie, für die er ausreichend Zeit hat, später einmal wichtig. Und er kann sich nicht vorstellen, sein ehrenamtliches Engagement in der Jugendarbeit jemals aufzugeben. Philipp fragt sich, wie er seine unterschiedlichen Vorstellungen vom Leben später unter einen Hut bringen soll. Und das verunsichert ihn.

Orientierungsberater Andreas Peez aus München beobachtet in seiner Praxis, dass Fälle wie Philipp W. keine Seltenheit sind – und sie nehmen deutlich zu. „Natürlich gibt es auch noch den klassischen BWL-Studenten, der seine Entscheidungen so trifft, um seinem Ziel von einer schnellen Karriere mit einem attraktiven Einkommen möglichst rasch näher zu kommen. Aber angehende Berufstätige und Berufseinsteiger, die nach alternativen Wegen suchen, um dem zu entkommen, was sie ein „Hamsterrad“ nennen, werden immer zahlreicher.“

Dieser gefühlte Trend wird durch eine aktuelle Studie der Beratungsgesellschaft EY unterstützt, in der Studierende nach ihren Prioritäten im Leben gefragt wurden: Die Karriere kommt aktuell nur noch auf Platz 4, lediglich gut 40 Prozent der Befragten legen hierauf großen Wert. Andere Aspekte wie ausreichend Zeit für Familie und den Freundeskreis sowie für Freizeitaktivitäten und Sport lagen in dieser Untersuchung teilweise sehr deutlich vor dem Wunsch nach beruflichem Erfolg. Wie lässt sich diese Tendenz erklären?

EY zufolge nimmt der Karrierewille ab, da der anhaltend gute Arbeitsmarkt zurzeit ziemlich sichere Perspektiven für einen raschen Einstieg ins Berufsleben verheißt – der „Karrieredruck“ nimmt also dadurch ab. Orientierungsberater Andreas Peez jedoch vermutet, dass weitere Faktoren eine große Rolle spielen: „Philipp W. ist insofern auch ein gutes Beispiel, da er in seiner Entwicklung Dinge erlebt hat, die er mit vielen Altersgenossen so oder ähnlich teilt. Sein Vater, sehr erfolgreich als Führungskraft in einem Industriekonzern, war eigentlich nur am Wochenende für ihn ansprechbar und dann sehr oft müde und gereizt. Mit Mitte 50 hatte er einen Burn-out und erholte sich nicht mehr vollständig davon, sodass er seine Position nicht länger halten konnte. Und seine Mutter zerriss sich zwischen dem Anspruch, eine gute Mutter für ihn und seine Schwester zu sein und gleichzeitig ihren beruflichen Erfolg ebenfalls nicht völlig aus den Augen zu verlieren.“ Die Studie von EY bestätigt in diesem Zusammenhang, dass zwei Drittel der Befragten überdurchschnittlichen Arbeitsaufwand in ihrem späteren Job erwarten.

Wenn die künftige Generation der Young Professionals also mit gebremstem Karrierewillen in den Beruf einsteigt, so hängt das auch mit den Erfahrungen zusammen, die ihre Eltern und Verwandten im Arbeitsleben gesammelt haben. Sie selbst suchen nach einem anderen Weg – und die Arbeitgeber tun gut daran, sich darauf glaubwürdig einzustellen und attraktive Arbeitsmodelle zu entwickeln und anzubieten.

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