AusbildungBerufseinstiegBusinessEltern, FamilieGesundheitPersönlichkeitSchuleStudiumbei Mobbing Hilfe holen

Was ist ‘Mobbing’ und ab wann ist es sinnvoll, sich Hilfe zu holen?

Mobbing ist bekanntlich ein Phänomen mit vielen Erscheinungsformen. Die inzwischen nahezu inflationäre Verwendung des Begriffes führt bei vielen Menschen allerdings zu einer Verunsicherung, die sich auch durch die redlichen Bemühungen vieler Experten und Wissenschaftler kaum auflösen lässt.

Während die ursprüngliche Definition von Heinz Leymann noch beinhaltete, d ass eine oder mehrere der von ihm benannten 45 Mobbing-Handlungen „über ein halbes Jahr oder länger mindestens einmal pro Woche vorkommen“ (Leymann, 1993), besteht inzwischen wohl Einigkeit darüber, dass diese vielen Fällen nicht gerecht wird, da sie aufgrund ihrer zeitlichen Dimension zu eng gefasst ist. Einen „unliebsamen“ Mitarbeiter oder Kollegen kann man sicher auch schneller mittels Mobbing dazu bewegen, ein Unternehmen zu verlassen. Aber auch in Schulen und Bildungseinrichtungen sollte man nicht so lange warten, bevor man sich bemüht, eine Situation aufzulösen, in der einzelne Personen ausgegrenzt werden.

Eine aktuellere Definition stammt von dem Psychologen Dr. Martin Esser und dem Anwalt Dr. Martin Wolmerath, der zufolge Mobbing ein Geschehensprozess in der Arbeitswelt ist, „in dem destruktive Handlungen unterschiedlicher Art wiederholt und über einen längeren Zeitraum gegen Einzelne vorgenommen werden, welche von den Betroffenen als eine Beeinträchtigung und Verletzung ihrer Person empfunden werden und dessen ungebremster Verlauf für die Betroffenen grundsätzlich dazu führt, dass ihre psychische Befindlichkeit und Gesundheit zunehmend beeinträchtigt werden, ihre Isolation und Ausgrenzung am Arbeitsplatz zunehmen, dagegen die Chancen auf eine zufriedenstellende Lösung schwinden und der regelmäßig im Verlust ihres bisherigen beruflichen Wirkbereichs endet.” (Esser & Wolmerath, 2011)

Hervorzuheben an der Pionierarbeit Leymanns ist u.a. seine Aufschlüsselung der unterschiedlichen Ebenen, auf denen sich Mobbing vollziehen kann – Angriffe auf:

  1. die Möglichkeit, sich mitzuteilen
  2. die sozialen Beziehungen
  3. das soziale Ansehen
  4. die Qualität der Berufs- und Lebenssituation
  5. die Gesundheit

und die damit einhergehenden 45 Handlungen, die er in seinem Buch „Mobbing“ eingehend beschreibt.

Eine Auflistung dieser findet man inzwischen auf vielen hilfreichen Webseiten, die im Laufe der Zeit zu diesem Thema entstanden sind. Mobbing hat also viele Gesichter und kann zudem unterschiedlichste Ursachen haben. Zwischenmenschliche Konflikte, die ungelöst bleiben und eskalieren, das „Sündenbock-Phänomen“ sowie Störungen des Betriebsklimas sind nur einige von Ihnen.

Auch in der Arbeit der professionellen „Helfer“ zeigen sich deutliche Unterschiede bei der Herangehensweise an dieses Thema. Während Anwälte sich zumeist auf klare Definitionen und eine stringente Beweisführung konzentrieren, arbeiten Therapeuten oder Coaches eher individuenzentriert und suchen nach Möglichkeiten, Betroffene für künftige Konfliktsituationen zu stärken bzw. sie besser darauf vorzubereiten, wobei der Fokus unter anderem auf die inneren Bewertungs- und Konfliktvera rbeitungsmuster gerichtet ist.

Diese Fokussierung verführt allerdings leicht dazu, die Ursachen für Mobbing bei den Betroffenen zu suchen und diese sozusagen für ihr eigenes Unglück verantwortlich zu machen, was in den meisten Fällen zu kurz gedacht ist. Für Unternehmensberater, Trainer und Personalverantwortliche hingegen sind das Betriebsklima und die Unternehmenskultur zentral. Ihnen geht es vor allem um die Prävention, die sicher als das wirkungsvollste Mittel betrachtet werden kann, Mobbing zu begegnen. Gleiches gilt auch für Pädagogen und Lehrkräfte, die letztendlich mitverantwortlich für das Klima sind, das in Schulklassen oder Seminaren herrscht.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Doch was bedeutet das alles schon, wenn man erst einmal zur „Zielscheibe“ geworden ist? Fühlt man sich in einem Unternehmen (oder einer Gruppe) nicht mehr erwünscht oder sieht man sich Schikanen und Anfeindungen ausgesetzt, spielt es f ür den Betroffenen eigentlich nur eine sehr untergeordnete Rolle, ob es sich dabei tatsächlich um Mobbing handelt oder „nur“ um einen normalen Konflikt.

Die Grenze zwischen berechtigter Kritik und gezielter Abwertung ist ohnehin schwer zu ziehen. In dem Augenblick, wo ein Leidensdruck entsteht, der sich mit normalen Mitteln nicht mehr kompensieren lässt, sollte man sich auf jeden Fall professionelle Hilfe suchen. Leider zeigt sich immer wieder, dass Betroffene dies in vielen Fällen erst dann tun, wenn sie psychisch bereits (schwer) erkrankt sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich jemand fälschlicherweise als Mobbing-Opfer bezeichnet, ist übrigens deutlich geringer, als dass Betroffene versuchen, ihren Status aus Scham zu verschleiern.

Reflektieren sollte man als Betroffener zunächst die eigene Fähigkeit, mit Kritik umzugehen. Ob eine Selbstwertproblematik Ursache oder Folge des Mobbings ist, wird aber immer wie der strittig diskutiert. Ein gesundes Selbstbewusstsein verringert zwar sicher die Wahrscheinlichkeit, psychisch zu erkranken, kann es jedoch nicht verhindern, egoistischen Motiven anderer Menschen zum Opfer zu fallen. Woran man das merkt? Diese Frage beantwortet sich wohl von ganz allein, wenn man erst einmal in einer solchen Situation ist.

bildungsdoc ePapaer-Katalog
Teile diesen Post

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind mit * markiert.

Beitragskommentare